Stimmen aus aller Welt, spannende Reportagen, anrührende Schicksale: Radio-Geschichten sind wie Kino für die Ohren. An jedem ersten Mittwoch im Monat präsentieren Beate Hoffmann und Charly Kowalczyk um 19:30 Uhr ein Radio-Feature im Alten Fundamt, Auf der Kuhlen 1A, 28203 Bremen. Der Eintritt frei. Weitere Informationen zu den Terminen und zu den Hygienebedingungen sind zu finden auf www.bremer-hoerkino.de.
Veranstaltet von
Beate Hoffmann und Charly Kowalczyk
Bremer Medienbüro
Elsasser Straße 27
28211 Bremen
1. Februar 2023, 19.30 Uhr
von Mark Zack / Deutschlandfunk, 2022
„Jetzt, wo ich meine Lebensgeschichte abschließend betrachte, möchte ich hervorheben, dass ich mit 22 Jahren völlig alleine blieb; ich verlor Vater, Mutter, zwei Brüder, das Zuhause. Aber ich hatte meinen Arzt-Beruf, der mir das Leben rettete.“ Die schicksalhafte Beziehung mit Deutschland begann für die jüdische Familie Rogosa aus der südukrainischen Kleinstadt Kachowka bereits im ersten Weltkrieg. Im Haus der Eltern wurden 1918 deutsche Soldaten einquartiert. Die Eltern hatten ein so gutes Verhältnis zu diesen Männern, dass sie 1941 vor den Nazis nicht flohen. Ihre Tochter Irina Rogosa, die Mutter des Autors, rückte dagegen 1945 als Lazarettärztin mit der siegreichen Roten Armee in Berlin ein. 1974 emigrierte sie aus der Sowjetunion nach Köln. Als Opfer fühlte sie sich nie. Eine ukrainisch-deutsche Spurensuche durch ein Leben, so tragisch und wechselvoll wie das Jahrhundert.
1. März 2023, 19:30 Uhr
von Peter Kreysler / WDR, ARD Radiofeature, 2022
Verbrenner raus - Elektromotor und Batterien rein. So malen Automobilindustrie und Verkehrsminister gerne die Zukunft des PKW. Doch die Verheißung ist nicht nur unrealistisch. Sie leistet auch neuem Raubbau an der Natur Vorschub.
Der rasche Umstieg auf Elektromobilität ist alternativlos, um die Klimaerwärmung zumindest zu bremsen. Kaum ein Politiker und inzwischen auch kein Automanager mehr, der sich bei öffentlichen Auftritten nicht dazu bekennt. Auch wenn hinter den Kulissen um eine möglichst lange Gnadenfrist für den Verbrenner gerungen wird, weil sich mit ihm noch immer besser verdienen lässt.
Problematischer ist, dass oft der Eindruck erweckt wird, es gehe im Wesentlichen darum, den Auspuff ab und einen Elektromotor einzubauen. Doch 2 Milliarden PKW weltweit – oft 23 Stunden am Tag Stehzeuge – mit tonnenschweren Batterien auszustatten, würde zu neuen ökologischen Katastrophen führen. Schon jetzt sorgt die Gier nach Rohstoffen, um die Batterieproduktion in wenigen Jahren zu verhundertfachen, für Umweltschäden in etlichen Teilen der Welt. Und sie schafft neue Abhängigkeiten. Unter anderem von Russland.
Neue Techniken helfen. Öfter Fahrradfahren auch. Doch ohne Kreislaufwirtschaft, verantwortbaren Handel sowie alternative Verkehrskonzepte, bleibt das Versprechen von der nachhaltigen E-Mobilität eine große Illusion.
5. April 2023, 19:30 Uhr
von Julia Tieke / Deutschlandfunk Kultur, 2023
Wie ist es, direkt neben einem AKW aufzuwachsen? Und was passiert in der Heimatstadt, die aus der Kernkraft auch ihren Wohlstand zieht, wenn abgeschaltet wird? Die Autorin ist in Lingen groß geworden und hat die Stadt ein Jahr lang beim Abschied vom AKW begleitet. Ein turbulentes Jahr, das mit einer Demo vor der örtlichen Brennelementefabrik beginnt und an Silvester schließlich nicht mit dem Atomausstieg endet.
Julia Tieke, geboren 1974, studierte Kulturwissenschaften in Hildesheim und Islamwissenschaft in Berlin. Autorin, Regisseurin und Projektleiterin der Wurfsendung von Deutschlandfunk Kultur.
3. Mai 2023, 19:30 Uhr
von Christian Lerch / WDR & ORF, 2022
Im Winter 2017 wird der Bundeswehrsoldat Franco A. bewaffnet am Flughafen Wien von einer Spezialeinheit festgenommen. Der Mann – im Besitz einer gefälschten Geflüchtetenidentität – soll einen Anschlag geplant haben. Handelte er allein?
Ehrgeizig macht der Offenbacher Franco A. Karriere in der Bundeswehr. Bereits im Alter von 26 Jahren ist er Oberleutnant. Dass Franco A. unter Kameraden als rassistisch und antisemitisch bekannt ist, bleibt ohne Konsequenzen. Für die Bundeswehr-Vorgesetzten gilt er als zu klug, um Rechtsextremist zu sein; es bleibt bei Verwarnungen.
Franco A. selbst sieht sich als einfacher Soldat, der vorgibt seinem Eid zu folgen, um dieses Land zu schützen. 2015 nimmt er die Identität eines Geflüchteten an. Die Bundesanwaltschaft ist überzeugt: Franco A. plante eine false flag operation, einen Anschlag mit gefälschter Identität, um Angst und vor allem Hass auf Geflüchtete zu schüren und zu belegen, dass der Staat nicht länger für Sicherheit sorgen kann.
Nur durch puren Zufall – den Fund einer versteckten Waffe bei Wartungsarbeiten am Wiener Flughafen – scheitert der mutmaßliche Plan frühzeitig und er wird verhaftet. Oberleutnant Franco A. wird 2021 wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat angeklagt. Am 15. Juli 2022 wird er zu 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Er ist damit der erste verurteilte Rechtsterrorist der Bundeswehr.
7. Juni 2023, 19:30 Uhr
von Gudrun Fischer, Deutschlandfunk 2022
Präsident Jair Bolsonaro will Zucht und Ordnung an brasilianischen Schulen. Dafür setzt er Soldaten ein. Kurz vor den Wahlen ist sein neues Schulmodell umstrittener denn je.
Disziplin und Ordnung, das ist das, was viele extrem Konservative, aber auch Teile der ärmeren Schichten sich für ihre Kinder wünschen. Viele haben ihren Nachwuchs daher in den neuen zivil-militärischen Schulen angemeldet, die Bolsonaro im ganzen Land gegründet hat. Die Schulen sind Ausdruck der schleichenden Militarisierung der Gesellschaft, die der Präsident in seiner Amtszeit vorangetrieben hat – und ein Erfolg. Doch es gibt auch Gegenwind. Kritikerinnen und Kritiker sehen in den Schulen eine Gefahr für die Demokratie und ein Einfallstor für autoritäres Gedankengut schon bei den Jüngsten.
Gudrun Fischer ist im Süden Brasiliens aufgewachsen und ursprünglich Biologin. Als Radiojournalistin ist sie auf Brasilien spezialisiert und verbringt einen Teil des Jahres in Bremen, den anderen in Rio de Janeiro.
6. September 2023, 19:30 Uhr
von Marie von Kuck / DLF/SWR/WDR, 2022
Er klagt vor Gericht. Er verlangt das alleinige Sorgerecht. Wenn sie gehen wolle, müsse sie die Kinder bei ihm lassen. Sie beteuert, dass er gefährlich sei, dass sie Angst vor ihm hat – und Angst um ihre Kinder. Doch das Gericht glaubt ihr nicht und gibt ihm Recht.
Eine Ehe ist zum Alptraum geworden. Der Mann quält und misshandelt seine Frau. Mit den Jahren wird es immer schlimmer. Schließlich flieht die Frau mit den gemeinsamen Kindern. Jetzt fleht er sie an, zurückzukommen. Doch sie bleibt standhaft. Das Feature erzählt die Geschichten von Frauen zwischen Gewalttätern, Familiengerichten und Jugendamt. Von Frauen, die gefangen sind zwischen der Angst vor der Gewalt und der Angst um ihre Kinder.
4. Oktober 2023, 19:30 Uhr
von Patrick Batarilo / SWR 2
Wie fühlt sich Alterseinsamkeit an? Fünf alleinstehende Frauen erzählen, wie sie sich gegen Momente der Verzweiflung wehren und wie es ihnen gelingt, dennoch ein erfülltes Leben zu führen.
1. November 2023, 19:30 Uhr
von Vito Pinto / SWR 2
Petra Kelly war die schillerndste Figur der Friedens- und Anti-Atom-Bewegung der 1970er und 80er. Die Mitbegründerin der Partei Die Grünen war Menschenrechtsaktivistin und Unterstützerin der DDR-Bürgerrechtsbewegung, international erfolgreich und medial präsent.
Mit dem Einzug der Grünen in den Bundestag 1983 geriet sie zunehmend ins Abseits. Kelly kämpfte nach außen unbeirrbar für eine bessere Welt und scheiterte in der Partei: an sich und am zermürbenden Flügelkonflikt. Das Feature zeichnet das Leben der 1992 getöteten Politikerin nach, deren Ideen und Wirken bis heute nachhallen.
Lange wurde das Problem klein geredet und verdrängt. Sprach man vor drei Jahrzehnten noch von ein paar zehntausend Tonnen, so gehen Meeresbiologen heute davon aus, dass mehr als eine Million Tonnen versenkter Munition die Küstengewässer von Nord- und Ostsee zunehmend unsicher machen. Nicht nur Fischer, Strandwanderer und Konstrukteure von Offshore-Windparks müssen mit Explosionen von durchgerostetem Kriegsschrott rechnen; oft hat sich der enthaltene Sprengstoff auch chemisch zersetzt und schädigt bereits verschiedene Meerestierarten. Doch schon die Kartierung der Altlasten ist mühsam.
6. Dezember 2023, 19:30 Uhr
von Ellen Stolte, Andy Müller, Katharina Mickley, Thomas Hartmann, Hedwig Thelen, Frank-Daniel Nickolaus, Marianne Schnakenberg und Charly Kowalczyk, Deutschlandfunk, 2023
Wir sind vier Frauen und vier Männer zwischen 36 und 79 Jahren, mit unterschiedlichen Einschränkungen. Manche von uns arbeiten, andere nicht mehr. Die einen haben Zeit, andere wissen nicht, wie viel Zeit sie im Leben noch zur Verfügung haben. Wir wollen über unseren eigenen Blick in unserer gemischten inklusiven Gruppe zur Einsamkeit und Selbstbestimmung sprechen.
Aber nicht nur wir: Uns interessiert auch, wie andere darüber denken. Wie wir die Welt bunter und weniger einsam machen können. Auch wie bspw. die Bremer Sozialsenatorin darüber denkt. Oder der Vorstand der Deutschen Bahn. Lebt Bundesfamilienministerin Lisa Paus wirklich selbstbestimmt? Und nicht zuletzt wollen wir von der Einsamkeitsforscherin Maike Luhmann von der Ruhr Universität Bochum wissen, warum fast 20 Prozent sich in unserem Land einsam fühlen? Wieso hat hier eigentlich kaum jemand den Eindruck, selbstbestimmt zu leben?
Das Radio-Projekt ist auf Initiative des Martinsclub Bremen entstanden. Gestartet als Radio-Kurs in Begleitung des Journalisten Charly Kowalczyk für Menschen mit Beeinträchtigungen. Herausgekommen ist ein Feature – gemeinschaftlich entwickelt und produziert vom Deutschlandfunk.