Um den einzelnen Kunstformen gerecht zu werden und den Durchblick zu behalten, klären wir vorab, was die unterschiedlichen Begrifflichkeiten bedeuten.
Graffiti
Der Fokus bei einem Graffiti liegt meist auf dem Schriftzug. Dieser wird mit Sprühdosen auf eine Wand gesprüht (getaggt), um den eigenen Namen oder den Namen der Crew zu verbreiten oder das eigene Revier zu markieren. Viele Graffitis werden dabei illegal auf Wände gesprayt. Außerdem sind Graffitis Teil der Hip-Hop-Kultur.
Übrigens: Da das Wort Graffiti aus dem Italienischen stammt, ist der richtige Singular des Wortes „Graffito“ und der richtige Plural „Graffiti“.
Mural
Ein großflächiges Wandgemälde, das sich über eine komplette Häuserfassade erstreckt, wird auch als Mural bezeichnet. Murals werden gerne von der Stadt oder Privatpersonen in Auftrag gegeben, um Häuserfassaden zu verschönern oder an historische Ereignisse zu erinnern. Murals werden häufig von professionellen Künstlerinnen und Künstlern* erstellt.
Street Art
Street Art bezeichnet Kunst im öffentlichen Raum und kann somit als Überbegriff für Graffitis und Murals gesehen werden, denn Street Art umfasst nicht nur Kunst auf Wänden. Bei Street Art steht oft eine politische oder gesellschaftskritische Haltung im Mittelpunkt.
1. Fortschritt und Stillstand der Kleinbahn Jan Reiners (Findorff)
Künstler: Jürgen Schmiedekampf
Das Wandgemälde am Flachbunker in der Neukirchstraße erinnert an die Kleinbahn Bremen Tarmstedt, die von 1900 bis 1954 zwischen Findorff und Tarmstedt unter anderem durch das Bremer Moor verkehrte. Im Volksmund wurde sie auch „Jan-Reiners-Bahn“ genannt. Heutzutage ist diese Lok als Denkmal gegenüber der Martin-Luther-Kirche am Jan-Reiners-Weg zu sehen.
Das Wandgemälde entstand zwischen 1980 und 1982 als Teil einer Serie von drei großflächigen Bunkermalereien, die die Vergangenheit und Gegenwart des Stadtteils Findorff thematisierten. Das Bild zeigt Bahnhöfe und Bahntickets sowie eine der ersten Dampfloks, die einst auf dieser Strecke fuhr. Ebenfalls sind Torfkähne abgebildet, welche durch die Lokfahrten ersetzt wurden.
2. Den Gegnern und Opfern des Faschismus (Findorff)
Künstler: Prof. Jürgen Waller
Dieses riesige Wandbild wurde 1983 von Prof. Jürgen Waller kreiert, um an die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 zu erinnern. Es zeigt reale Orte wie die illegale Druckerei, den Volksgerichthof und den Eingang zum KZ Ausschwitz mit dem über dem Eingangstor stehenden Spruch: „Arbeit macht frei“. Ebenso bildet es Verhaftungen, Hinrichtungen und Verhöre von Gegnern der Nationalsozialisten ab.
Die gefesselten Fäuste eines Widerstandskämpfers in der Mitte des Bildes durchbrechen die Wand der Reichskanzlei und bringen so das Regime symbolisch zum Einsturz. Unten sowie an beiden Seiten der Wandmalerei stehen Namen von Personen, die Widerstand gegen das Nazi-Regime leisteten und daraufhin verfolgt, inhaftiert und/oder ermordet wurden.
Die Position des Murals in der Admiralstraße wurde bewusst gewählt, da es sich unweit des ersten Bremer KZs (KZ Mißler) in der Walsroder Straße befindet.
Übrigens: Das Wandbild steht seit 2016 unter Denkmalschutz.
3. Blick aus dem Fenster (Rembertiring)
Künstler: Peter K. F. Krueger
Diese Bremer Wandbemalung nahe dem Rembertikreisel ist eine der ältesten der Stadt. Es zeigt ein älteres Ehepaar, das aus dem Fenster schau. 1975 von Peter K. F. Krueger erstellt – nachdem er eine Ausschreibung für „Kunst im öffentlichen Raum“ gewonnen hatte – sollte es den zukünftigen Aufgabenbereich des Hauses widerspiegeln. Da dort der Sitz der Arbeiterwohlfahrt Bremen ist, zeigt es daher die Idylle des Alters im Vergleich zur schnelllebigen Welt.
Übrigens: Vorlage war das Bremer Ehepaar Wagner aus der Region.
4. Look at me, look at you (Überseestadt)
Künstler: Victor Ash
Das riesige Mural in der Bremer Überseestadt ist kaum zu übersehen. Es prangt auf allen vier Seiten des ca. 25 Meter hohen alten Speichergebäudes an der Kreuzung Hansator/Nordstraße. Von Victor Ash kreiert, entstand es im Rahmen des 32. Evangelischen Kirchentags im Jahre 2009.
Die vier Personen mit Fernglas spiegeln das Motto des Kirchentags („Mensch, wo bist du?“) deutlich wider. Das Bremer Kunstwerk war ebenso Teil des „Sign Seeing“-Projektes sowie Teil der Ausstellung „Urban Art – Werke aus der Sammlung Reinking“ vom Weserburg Museum.
5. Das Zusammen (Bremen-Neustadt)
Künstler: Peter Stöcker
Der Bremer Künstler Peter Stöcker hat – gemeinsam mit Bjoern von Schulz – dieses Wandbild unter dem Motto „Begegnet euch“ fertiggestellt. Das Bremer Mural wurde durch die Kinder der umliegenden Grundschule inspiriert, die sich tagtäglich gegenseitig unterstützen.
Passend dazu zeigt das Wandbild ein Mädchen, das einem Jungen die Hand reicht. Das Mädchen hilft dem Jungen über eine Mauer, sodass er die graue Welt hinter sich lassen und gegen eine bunte Zukunft eintauschen kann. Das Werk soll die Wichtigkeit von Gemeinschaft und Unterstützung in der Gesellschaft hervorheben.
6. Greetings from Haifa (Wilhelm-Kaisen-Brücke/Kleine Weser)
Künstlergruppe: Broken Fingaz
Dieses Bremer Graffiti wurde während der jazzahead 2013 kreiert. Es befindet sich unter der Wilhelm-Kaisen-Brücke auf der Seite des Stadtwerders (Werderinsel).
Der genaue Hintergrund ist nicht bekannt. Jedoch könnte das Werk der israelischen Künstlergruppe Broken Fingaz auf die Städtepartnerschaft und Freundschaft zwischen Bremen und Haifa hindeuten, welche bereits seit 1978 besteht.
7. AIDS 2017 (Bremer Viertel)
Künstler: Sönke Busch
Dieses Graffiti prangt groß am Sielwall 3 im Bremer Viertel – dem Eingang zur Bremer AIDS-Hilfe und Zentrum für Suchterkrankungen und sexuelle Gesundheit. Das Bremer Mural zeigt eine rote Schleife auf schwarzem Hintergrund.
Die rote Schleife gilt weltweit als Solidaritätssymbol für am HIV-Virus erkrankte Menschen. Es entstand 2017 im Rahmen einer Kampagne, die junge Menschen aufforderte, sich testen zu lassen.
Zahlreiche der Bremer Graffitis stammen vom Hood Training. Der 2010 gegründete Verein motiviert junge Menschen zum Sport, organisiert vielfältige Events und lehrt die Hip-Hop-Kultur wie zum Beispiel das Sprayen von Graffitis.
Im Mittelpunkt von Hood Training steht dabei das Engagement für die Kinder- und Jugendarbeit. Das Programm richtet sich vor allem an junge Menschen, die teilweise schon früh mit Gewalt in Berührung kommen. So unterstützt der Verein Kinder und Jugendliche mit wertvollen pädagogischen Maßnahmen und bereitet sie auf solche Situationen vor. Wir von swb unterstützen die wertvolle Arbeit von Hood Training.
Falls Sie diese oder andere Bremer Murals und Graffitis finden möchten, so kann Ihnen die „Street Art Cities App“ helfen. Die Stadt Bremen ist seit November 2024 offizieller Partner der App und sie liefert eine Karte mit bekannten Wandbildern und Graffitis in Bremen sowie Hintergrundinformationen zu den Werken.
* Wir leben Diversität und heißen alle Menschen willkommen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Behinderung und Identität. Wir sind davon überzeugt, dass uns Vielfalt bereichert und im gemeinsamen Arbeiten voranbringt. Deshalb haben wir 2017 die Charta der Vielfalt unterzeichnet.